Geh mit!
Ich verstehe dich doch. Aber mach mal die Augen zu. Hör bloß ein paar Namen. Schwarzwald, Rhein, Bodensee. Sagt dir das nichts? Ist das nicht auch Deutschland? Ist dir das denn nur noch eine Sage oder eine Seite aus deinem Erdkundebuch? Ist es nicht unnatürlich,wenn du gar keine Sehnsucht danach hast? Nicht einmal Sehnsucht? Wenn du alles in dir auslöschst?“Mit jedem seiner Worte wich Lebenskraft aus ihr. Sie war schwach wie nie zuvor und voller Bitterkeit. Ach, die Sehnsucht nach allen Orten, an denen er von jetzt an sein würde, nach all den unerreichbaren Landschaften und Gesichtern, die sich in ihn eindrücken würden, die Sehnsucht nach dem ganzen, vollen gemeinsamen Leben brach in sie ein und vernichtete sie fast.
Wer auf der Welt hatte das Recht, einen Menschen vor solche Wahl zu stellen?

(aus: Christa Wolf, Der geteilte Himmel, 1963)

Aussagesatz
Fragesatz mit Fragewort
Fragesatz ohne Fragewort (ja/nein-Frage)
Imperativsatz
Nebensatz
Infinitivkonstruktion

Ölgemälde von Ludwig Sckell. Voralpenlandschaft mit Feldern und Bäumen,
Ludwig Sckell (1842-1905), Voralpenlandschaft

Die Sätze

  • bestehen aus einem Verb und einer unterschiedlichen Anzahl von Satzgliedern.
  • enthalten immer ein finites Verb, das eine bestimmte Stellung einnimmt.
  • Aufgrund der Stellung des Verbs im Satz unterscheidet man:

Hauptsätze

  • haben den finiten Verbteil an der zweiten Stelle und eventuell vorhandene andere Verbteile am Ende
    – in Aussagesätzen.
    Ich verstehe dich doch.
    Mit jedem seiner Worte wich Lebenskraft aus ihr.
    Sie war schwach wie nie zuvor.
    Die Sehnsucht brach in sie ein.
    Am Wochenende wollen wir einen Ausflug in den Schwarzwald machen.

    – in Fragesätzen mit Fragewort (w-Fragen) (Fragepronomina, Adverbien, Frageartikel).
    Wer hatte das Recht, einen Menschen vor solche Wahl zu stellen?
    Was machst du denn da?
  • haben den finiten Verbteil an der ersten Stelle des Satzes und eventuell vorhandene andere Verbteile am Ende
    – in Fragesätzen ohne Fragewort (ja / nein-Fragen).
    Ist das nicht auch Deutschland?
    Möchtest du auch am Ausflug in den Schwarzwald teilnehmen?

    – in Imperativsätzen.
    Hör bloß ein paar Namen.
    Komm doch mit!
    Aber mach mal die Augen zu.

    (aber ist Konjunktor und nimmt keinen Platz im Satz ein.)

Nebensätze

  • haben alle Verbteile am Ende des Satzes.
  • sind durch ein subjunktives Element an einen anderen Satz angeschlossen.
    Ist es nicht unnatürlich, wenn du gar keine Sehnsucht danach hast? Wenn du alles in dir auslöschst?
    Ich kann nicht mitkommen, weil ich mit meiner Arbeit noch nicht fertig geworden bin.

    (wenn / weil, Subjunktoren)
    Die Sehnsucht nach allen Orten, an denen er von jetzt an sein würde
    Landschaften und Gesichter, die sich in ihn eindrücken würden

    (die / denen, Relativpronomen
    )

Infinitivkonstruktionen

  • haben kein finites Verb und gelten deshalb nur als “satzartige“ Konstruktionen.
    Robert hat vor, eine lange Reise durch Europa zu machen.
    Wer hat das Recht, einen Menschen vor solche Wahl zu stellen?

Komplexe Sätze

  • enthalten zwei finite Verbformen. Sie bestehen aus zwei Sätzen, von denen mindestens einer ein Hauptsatz sein muss.
  • können so konstruiert sein:
    – Hauptsatz + Hauptsatz.
    Ich fürchte, Hans wird die Prüfung nicht bestehen.
    – Hauptsatz + Nebensatz.
    Ich fürchte, dass Hans die Prüfung nicht bestehen wird.
    Du kannst wieder Tennis spielen, wenn du wieder gesund bist.
    – Nebensatz + Hauptsatz.
    Wenn du wieder gesund bist, kannst du wieder Tennis spielen.
  • Der Nebensatz, der vor dem Hauptsatz steht, übernimmt die Rolle des ersten Satzgliedes, der den Platz vor dem Verb besetzt. Der Hauptsatz fängt deshalb mit dem Verb an.

Elliptische Sätze

  • Einzelne Ausdrücke, wie zum Beispiel die Antwort auf eine Frage, kann man als Sätze auffassen, weil sie sich auf ein Verb beziehen, das mitgemeint ist, aber nicht ausgedrückt wird.
    Wann fährt Thomas ab? – Heute (fährt er ab).
    Guten Tag! (Ich wünsche einen guten Tag.)
  • Im alltäglichen Sprachgebrauch kann man Sätze hören, die mit dem Verb anfangen. Es sind keine Ausnahme zur Regel, nach der das Verb die zweite Position im Satz hat. In diesen Sätzen wird einfach das Satzglied vor dem Verb nicht ausgesprochen.
    Tut mir leid. Das tut mir leid.
    Kann heute nicht kommen. Ich kann heute nicht kommen.
    Mache ich nicht. Das mache ich nicht.

Der Satz kann nicht als„sinnvolle Einheit“ definiert werden.  Es gibt nämlich Sätze, die auf Elemente verweisen, die nicht im Satz sind und die erst der Kontext verständlich macht. 
Dann besucht er sie dort.
(wer? wen? wann? wo?)