Kein Abschied
Sie fuhren, um sich abzulenken, in den Schwarzwald und ins Elsass, unterhielten sich mit fremden Leuten, aßen und tranken gut, lauter Henkersmahlzeiten, wie er sagte. Er drängte sie, einen Arzt aufzusuchen.
Hilde verschwand, ohne sich zu verabschieden. Er war in der Stadt gewesen, hatte einige Besorgungen gemacht und bemerkt, dass ihr Wagen nicht, wie sonst immer, vor der Pension stand. Er wusste, dass sie fort sei.

(aus: Peter Härtling, Der wiederholte Unfall oder die Fortsetzung eines Unglücks, 1975)
  • zu + Verb im Infinitiv
  • um… zu + Verb im Infinitiv
  • ohne… zu + Verb im Infinitiv
Ölgemälde von Lesser Ury. EIn Herr sitzt in einem Café und liest die Zeitung. Im Hintergrund ist 
eine eleganate Frau in Gedanken vertieft.
Lesser Ury, Im Café Bauer (1898)

Die Infinitivkonstruktionen

  • spielen eine ähnliche Rolle wie die Nebensätze.
  • können sowohl vor als auch hinter dem Hauptsatz stehen, oder auch darin eingebettet sein.
  • haben kein Subjekt.
  • haben keine finite Verbform.
  • haben ein Verb im Infinitiv, das am Ende des Satzes steht.
  • werden mit dem Hauptsatz durch zu verbunden. Zu steht allerdings nicht am Satzanfang, sondern direkt beim Verb.
    Jetzt habe ich Lust, einen schönen Spaziergang zu machen.
    Gestern habe ich keine Zeit gehabt, die Zeitung zu lesen.
  • Bei den Verben mit trennbarem Verbzusatz steht zu zwischen Verbzusatz und Infinitiv.
    Udo hat vor, morgen mit dieser Arbeit anzufangen.
    Er drängte sie, einen Arzt aufzusuchen.
  • können mit um / ohne / (an)statt eingeleitet werden.
    – mit um… zu drückt man eine Absicht oder ein Ziel aus.
    Sie fuhren, um sich abzulenken, in den Schwarzwald.
    Wir wollen nach München fahren, um den Olympiapark zu besichtigen.
    Um ein schönes olympisches Dorf zu besichtigen, können wir nach München fahren.
    Wir müssen früh ins Bett gehen, um pünktlich aufstehen zu können.

    Um pünktlich aufzustehen, müssen wir früh ins Bett gehen.
    – mit (an)statt… zu drückt man eine mögliche, aber nicht realisierte Alternative aus.
    Statt wie gewöhnlich zu arbeiten, haben sie den ganzen Tag gefaulenzt.
    Sie haben den ganzen Tag gefaulenzt, statt wie gewöhnlich zu arbeiten.
    Anstatt mit der Arbeit anzufangen, habe ich Musik gehört.
    Ich habe Musik gehört, anstatt mit der Arbeit anzufangen

    – mit ohne… zu drückt man einen fehlenden Sachverhalt aus.
    Hilde verschwand, ohne sich zu verabschieden.
    Die Kinder haben ein Fest organisiert, ohne die Eltern um Erlaubnis zu fragen.
    Ohne die Eltern um Erlaubnis zu fragen, haben die Kinder ein Fest organisiert.
    Köhlers sind abgereist, ohne es jemandem mitzuteilen.
    Ohne es jemandem mitzuteilen, sind Köhlers abgereist.

Zwischen Hauptsatz und Infinitivkonstruktion steht ein Komma. Bei einfachem zu + Infinitiv steht aber kein Komma.
Ich habe vor zu reisen.
Er hat keine Lust mitzukommen.

Das logische Subjekt des Verbs im Infinitiv
  • Eine Infinitivkonstruktion kann nur unter bestimmten Bedingungen auftreten: das logische Subjekt des Verbs im Infinitiv muss irgendwie im Hauptsatz erkennbar sein.
  • Das logische Subjekt des Verbs im Infinitiv
    – kann mit dem Subjekt des Hauptsatzes übereinstimmen.
    Ich will versuchen, zwei Theaterplätze für heute Abend zu besorgen.
    (Ich besorge zwei Theaterplätze.)
    Wir haben versucht, die Sekretärin anzurufen.
    (Wir wollten die Sekretärin anrufen.)

    – kann mit dem logischen Subjekt des Hauptsatzes übereinstimmen.
    Unser Spaß ist es, Musik zu machen.
    (Wir haben Spaß, wenn wir Musik machen.)
    Ist es eure Aufgabe, im Supermarkt einzukaufen?
    (Müsst ihr im Supermarkt einkaufen?)

    – kann in einem Satzglied des Hauptsatzes erkennbar sein.
    Ursula hat mich gebeten, ihr bei den Hausaufgaben zu helfen.
    (Ich soll Ursula bei den Hausaufgaben helfen.)
    Mir gefällt es nicht, jeden Sonntag fernzusehen.
    (Ich will nicht jeden Sonntag fernsehen.)